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dec 2000
Heisser Herbst in Österreich or:
How best to survive the cold season.
taken from Mushroom Magazine 12/2000
Text: Tom Rom
Es ist wieder Indoor-Zeit. Die Temperaturen sinken und es kann sich
nur noch um Wochen handeln, dann wird die Sonne nur mehr als fahles
Funzellicht am Himmel stehen. Yak....! Aber das fehlende Licht draußen
hat den positiven Effekt, dass das Licht in den Psy-Trance locations
viel besser zur Geltung kommt. Und wer am Morgen aus den dunkeln blacklight-geschwängerten
dancefloors heraus an die Sonne kommt, nimmt die Farben draußen
viel gleißender wahr. Die Farben sind intensiver, die Lichter
haben einen Strahlenkranz und die optische Wahrnehmung wird schärfer
anders als im Sommer, wo alles mehr pastellern scheint und ineinander
überfließt. Kurzum, Österreich hat sich schon voll auf
die Indoor-Season eingestellt und was vom Sommer bleibt, ist nur die
Freude über die Erinnerung und die Hoffnung, dass es nächstes
Jahr wieder warm werden wird. Und mal ehrlich die Indoorfeste
sind auch nicht schlecht, besonders wenn man auf den Parties der letzten
Wochen war.
Mitte September organisierte Wolfgang, einer der ältestgedienten
Goanesen in Wien, wieder eine seiner Geheimtipp-Parties. Nicht weit
von Wien wurde ein auf weiter Flur stehendes Haus in der Nähe von
Wien zum gemütlichen Psy-Nest umfunktioniert. Von außen ähnelte
es mehr einem Schulhaus aber drinnen war alles, was eine gute Goa-Party
so haben muss. Eine Superidee war es, den Main-Floor mit weißen
von der Decke hängenden Tüchern einzukleiden. Wenn hier etwas
mehr Blacklight-Röhren gewesen wären, hätte die tanzende
Spacewelt sicher doppelt so gut ausgesehen. Aber die vielen Räume
mit Chaishop und Old-Manali-sit-in-feeling haben das wieder wettgemacht.
Eigentlich hätte die Party ja eine Woche vorher stattfinden sollen,
aber wegen Location-Konkurrenz mit einem Hardcore-Event wurde die Party
um eine Woche verschoben. Dennoch schaffte es Wolfgang, am ursprünglichen
Partytag eine Ersatzlocation zu finden und wie ein Lauffeuer hat sich
die Nachricht per SMS, Handy und Mail durch ganz Ostösterreich
verbreitet. Unglaublich, wie stark die Szene verwachsen ist und jeder
den anderen sofort informiert. Praktisch jede und jeder und es
müssen einige Hundert Leute sein wussten über die Ersatzlocation
Bescheid. Gibts so was wie ein morphogenetisches Goafeld??? Eine
Woche später gaben auf der Psychic Reaction-Party in der Wiener
Keller-Location Subzero Greg Lunar, Klangmüller und Scheibosan
ihr Bestes. Wenn Klangmüller nicht gegen 6 Uhr morgens aufgehört
hätte, viele würden wahrscheinlich immer noch tanzen....
Ein Event der ganz besonderen Art war das "Psychedelic Visions"
im Innsbrucker Hafen. DJ Chiellana (Mathias), DJ Homegrown aus Deutschland
und Cosmic Gypsie aus der Schweiz lieferten ein 3-Länder-Soundspektakel
das eines der besten seiner Art in Westösterreich gewesen sein
dürfte. Die Deko war grenzgenial: aus einem riesigen Dancing-Shiva-Blanket
waren Fluoro-Fäden aus den Händen Shivas quer über den
main floor gespannt. Ein überdimensionales Mushroom-Blanket sorgte
dafür, dass die Tänzer den eigenen virtuellen Schwerpunkt
mit dem Pilzmandala optimal verbinden konnten. Die Decke war mit einem
Sternen-Blanket bedeckt unter dem ein San-Pedro-Kaktus (leider nicht
echt!) den Mittelpunkt der Tanzfläche bildete. Geisterhafte Schatten,
die sich durch die Halle bewegten, erweckten die Fluoro-Muscheln und
hängenden Kugeln zum Leben. Insektenaliens, Silberfarne und eine
Geode mit integrierten Fluro-Mushrooms im Inneren begannen plötzlich
zu leben. Die lebensgroße weiße Gipsmumie starrte auf die
Tänzer, die mit Mühe versuchten, sich auf die riesige pulsierende
Kugel zu konzentrieren, die auf einem altarartigen Säulensockel
stand. Wahnsinn! Wirklich eine experience from outer space. War das
in diesem Leben oder nur eine Parallelwelt?
So, genug psychedelisiert, back to earth nämlich zum Earthdance.
In Österreich gab es am 14. Oktober zwei Earthdance-Parties. Eines
in Hall bei Innsbruck und eines in Wien. Das Earthdance in Innsbruck
soll das größte und schönste Goa gewesen sein, das jemals
in Westösterreich stattgefunden hat. Aber auch am Earthdance in
Wien wurden alle bisherigen Indoor-Grenzen von Psy-Trance-Parties in
Österreich gesprengt. Noch nie waren 1.200 Leute bei einem Indoor-Goa
in Österreich. 100.000 Schilling (fast 15.000 DM) wurden für
Tibet und andere soziale und ökologische Projekte eingespielt.
Ein verdammt stolzes Ergebnis, das sicher mit Deutschland mithalten
kann! Gratulation an Acan und die Chactun-Suntribe-Crew! Viele mussten
wieder gehen, weil sie keine Karte hatten und der Raum fasste einfach
beim besten Willen nicht mehr Leute.
Seinen bisher besten Auftritt dort hatte Live-Actler Taliesin, der keltische
Trance-Druide aus Osttirol. Seine Klänge sind vertonte Stimmen
von Zwergen, Elfen, Feen und Erdgeistern. Taliesins Musik ist durchzogen
von mystischen Stimmen, die er digital verzerrt in den Erdrhythmus einsampelt,
der mit seinem stampfenden Hammer das Scheitelchakra zum Explodieren
bringt. Wenn man genau zuhört, hört man die Botschaften der
Urmutter und die Musik gewordene Kraft der Steine. Taliesins Musik ist
ein dickes Hanftau, das sich in Richtung Extase das Licht am
anderen Ende des Tunnels - bewegt. Kunstvoll wickeln sich in harmonischen
Mustern die psychedelischen Effekte um dieses Tau, das im Lauf der Tracks
immer dicker und absolut reißfest wird. Es endet schließlich
irgendwo im mindorgiastischen Nirwana. Eine Woche vorher trat er in
Kindberg in einer 800 Jahre alten gotischen Kirche auf, deren kathedralenartiger
Innenraum zum psychedelischen Heiligtum mutierte. Taliesins Auftritt
am Earthdance wurde von Obertonsänger Alfi begleitet, der alle
Energiepunkte in den zuckenden Körpern noch zusätzlich stimulierte.
Die perfekte Fire-Show ließ das Wiener WUK zur Zauberwelt werden
- zu einem blubbernden Moor im Vollmondlicht, aus dem geheimnisvolle
Leprechauns lugten und über die kochende Menge wachten. Earthdance-Organisator
Acan legte sichtlich beeindruckt über den Erfolg seines Earthdance
total entrückt auf und kreierte zusammen mit dem Didge-Spieler
Günther einen Klangteppich, der den Raum voll ausfüllte. Hari
Om, der Live-Actler Ticon und Xela trieben dann noch die Haut an Haut
Tanzenden bis zur Weißglut und sorgten dafür, dass keiner
mehr so schnell das Earthdance 2000 vergessen wird. Diejenigen, die
diese Mega-Energie nicht mehr aushielten, konnten sich am zweiten Floor
bei Scheibosan, Romeo, Klangmüller, Oliver Stoned und Monee loves
you wieder die nötigen groovigen Schwingungen holen, um sich wieder
zu erinnern wer sie sind und wo sie sich befinden.
Am 1. November gab es wieder ein event der besonderen Art. Schon mal
auf einer Psytrance-Party gewesen und indoor nackt getanzt? Ich bis
dato auch nicht. Aber in der Wiener Sargfabrik wars möglich.
Das Kultur- und Wohnprojekt verfügt nämlich über einen
großen Partyraum, einen gemütlichen Chillout und einen Total-Chilloutbereich,
eben ein großes Relaxgelände mit Sauna, Tepidarium, Jacuzi,
Schwimmbad und einiges mehr. Es ist schon ein besonderes feeling, zuerst
ein paar Stunden abzutanzen und dann zwischendurch mal in die Sauna
zu gehen und im Whirlpool zu relaxen, zu duschen und sich dann wieder
anzuziehen um sauber und entspannt wieder auf den dancefloor zu gehen.
Waaaaahnsinnnnnig geil in jeder Beziehung! *gg*. Die Künstlerin
Sandra und Goa-Profi Gilbert haben das Fest organisiert. Eigentlich
wars eine Vernissage von Latex- und Plüsch-Kunst mit reichhaltigem
Buffet, die dann in eine Goa-Party überging. Auch der Nassbereich
der Party war psychedelisch dekoriert und Space Projectors sorgten für
eine bunte ambience zum Nackttanzen. Hari Om und seine Frau Monee loves
you sorgten für den entsprechenden groovigen Space-Sound. Wieso
sind bloß nicht alle Parties so? Eine Sauna sollte es eigentlich
auf jeder Psytrance-Party geben!
Am 11. November gab es wieder ein Insider-Fest für die 300 Leute
des Inner Circle der East-Austrian Goa-Scene. Wolfgang und die Schrittmacher
sorgten für einen familiären event im Ziegelofen nahe der
Burgruine Forchtenstein im Burgenland, auf dem Andrenalin aus Hamburg,
Klangmüller, Gobayashi, Xela L. und Thomas auflegten. Letzterer
ist noch ziemlich jung, aber was und wie er spielte, fiel schon im Sommer
auf dem 3-Tages-outdoor beim Sägewerk in Kobersdorf auf. Einfach
verdammt gut!!! Leider blieb ich nicht bis zum Ende, denn am nächsten
Tag gab es eine Widerstandsveranstaltung in Wien mit dem großen
linken französischen Philosophen und Soziologen Pierre Bourdieu
in Wien. Der Widerstand in Österreich gegen die konservative Extremrechts-Regierung
ist nämlich nach wie vor ungebrochen und jeden Donnerstag ziehen
Tausende Menschen in Wander-Demos stundenlang durch Wien. Vom Widerstandsrave
bis zum Widerstandskongress hat sich eine Riesenkulturszene entwickelt,
die die verhasste Regierung in Österreich kulturell schon lange
ins totale Aus katapultierte und hoffentlich den "Ziehvater des
Rechtsextremismus" in Österreich Jörg Haider
um Jahrzehnte überleben wird.
Der nächste großen event wird wieder von Suntribe/Chactun
am 8. Dezember im Wiener WUK organisiert (www.chactun.at). Acan konnte
neben vielen bekannten local DJs für das "Skydiving"
Electric Universe und Toms Floating System als Live Acts gewinnen.
DEN Mega-Event in diesem Winter veranstaltet Franz alias Franticek Nova
Que in der X-Chat-Bar in Oberwart (www.x-chat.at). Der "Psychedelic
birthday 2000" geht vom 15.17. Dezember und dauert 3 Tage.
Als Live Acts spielen Keltenkünstler Taliesin und Banned X. Im
confirmed DJ-Line-up sind bereits Gabriel Le Mar, Acan, Andruid, Ohrgasmus,
Seagull, Annai und weitere Super-DJs. Die Party soll verschiedene Stile
von Dub-Ethno-Tribal über Goa- und Psy-Trance bis Progressive vereinen.
Eine Winterparty, die sicher wehmütige Erinnerungen an den Sommer
aufkommen lassen wird *schnüff*. Wenn das Tranceparty-bombing in
diesem Winter so weiter geht, dann braucht sich wohl niemand Sorgen
um die Heizkosten zu machen. Join the pumping crowd and warm yourself
with, by and thru yourself up!
Om Nama shivaya!
Tom Rom
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