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Cocktails und Lavalampen
"Sphere" gehen mit ihrem Debüt "Rotation" neue
Wege. Sechs von zehn Stücken bestechen mit Vocals, die über
die üblichen Hooklines hinausgehen. Neu ist auch die Art, wie die
drei Produzenten ihre Musik präsentieren werden. Einerseits wie gewohnt
als Party-Live Act. Und andererseits als Band.
"Sphere" sind Uwe Lübbers, Hilton Theissen und Linus Wessel.
Die beiden erstgenannten sind als "Akanoid" bekannt und durch
das Debüt "Best Off". Linus Wesseln nahm zusammen mit Sebastian
Krüger als "Tarsis" zwei für die Progressive Trance-Richtung
wegweisende Alben auf. Im April 2000 trennten sich ihre Wege, Linus suchte
neue Mitstreiter. Die fand er in seinen langjährigen Bekannten Hilton
und Uwe.
Erstes Ergebnis dieser Zusammenarbeit war eine 12-Inch auf Spirit Zone.
"Voices" sowie zwei Ambientstücke auf Compilations erschienen
unter dem Namen "Space Fish", der die drei zudem als Live Act
ankündigt. Aber warum "Rotation" unter "Sphere"
rauskommt? Linus weiß es eigentlich auch nicht genau: "Wir
haben zwei Projekte, weil in unserm Metier ja nicht so die Namensabhängigkeit
besteht wie anderswo. Außerdem wissen die Leute mittlerweile, wer
hinter welchem Projekt steckt. Am liebsten würde ich sowieso als
,Space Fish Productions' auftreten, dann könnten wir Sphere- und
Space Fish-Stücke endgültig in einem Act bringen." Somit
gibt es nicht einmal musikalische Gründe zur Trennung der beiden
Projekte. Später stiften die Herren noch mehr Verwirrung: Nach dem
Sphere-Release wollen sie ein Space Fish-Album aufnehmen. Da überrascht
es um so mehr, daß sie in einer sehr aufgeräumten Wohnung leben
- und das als Musiker!
Aufgeräumt ist das Live-Konzept zwar nicht, aber klar. Erstmal wird
die ruhige Seite der Stücke im Club oder im Party-Chill Out präsentiert
- oder mit Hiltons Worten gesagt "im Lounge-Bereich, so mit Cocktails
und Lavalampen." Hier soll nicht wie bei Party-Sets auf Playbacks
zurückgegriffen, sondern mit Musikern aus Fleisch und Blut als Band
aufgetreten werden. Erst später werden Party-Live Acts folgen. Uwe:
"Wir haben ja alle drei schon Banderfahrung und wollen Musik mal
wieder anders präsentieren." "Schon das Proben als Band",
ergänzt Linus, "mit einer Kiste Bier in der Mitte, ist ganz
anders als das Producing im Studio." Da sitzen nicht ständig
alle zusammen hinterm Mischpult, sondern die kreative Arbeit besteht im
gegenseitigen Ausbauen von Ideen, bis ein Track fertig ist. Sphere haben
versucht einen Weg zwischen Studio- und Proberaumkreativität zu finden,
bezeichnenderweise beim Titelstück "Rotation": Sie sprachen
sich auf ein Tempo und eine Tonhöhe ab und gaben jedem zwei Stunden
Zeit, Spuren zu bauen. Danach wurden die Spuren so miteinander kombiniert,
daß sie einen Ambienttrack ergaben.
So arbeiteten die Fredeburger aber nur an diesem Stück. Das Album
insgesamt entstand weniger kontinuierlich in sechs Monaten. "Wobei
die letzte konkrete Session, die zur Gesichtsgebung des Albums maßgeblich
war, wo der Großteil der Tracks in Folge entstand, ungefähr
anderthalb bis zwei Monate dauerte", präzisiert Hilton. "Drei,
vier Stücke waren vorher schon fertig, die sind über den Zeitraum
hinweg produziert worden neben Tracks für Space Fish und Akanoid."
Hilton sieht die Gefahr, daß bei einem zu langen Produktionszeitraum
die Tracks auf einem Album zusammengewürfelt klingen, wenn sie aus
mehreren Sessions entstammen mit arg unterschiedlichem Sound. Am Fließband
produziert könnten sich die Stücke wiederum zu sehr ähneln.
"Deshalb ist es sehr fruchtig, wenn man Pausen einlegt und etwas
anderes macht."
Beispielsweise Fremdproduktionen: Neben neuen Maxis für Space Fish
und Akanoid coverten Akanoid für einen "Nine Inch Nails"-Tributesampler
den Klassiker "Sin" von der "Pretty hat machine".
Außerdem remixten Sphere für die Pop-Waver "Psyche"
die aktuelle EP "Sanctuary". Den hält Psyche-Frontmann
Darrin Huss für seinen Lieblingsmix. Damit aber nicht genug der Ehre
durch eines der Jugendidole des Trios. Wie Thomas Elbern, Sänger
der legendären Indie-Rocker "Escape with Romeo", ging Darrin
interessiert auf Sphere zu, schrieb Texte und singt auf "Rotation".
Beide arbeiteten aber nicht als angeheuerte Studiosänger, sondern
brachten ihre eigenen Künstlerpersönlichkeiten mit auf die Platte.
Sphere sahen sich gegenüber einer grundsätzlichen Schwierigkeit
beim Arbeiten mit Gesang. Gliedert der sich wie bei Rock- oder Popstücken
in Strophen und Refrain auf, so ist es schwierig, daß Gesang und
Tanzbarkeit des Tracks nicht gegeneinander arbeiten oder der Track sogar
überlagert wird von den Vocals.
Sphere fanden Lösungen für die sechs Gesangsstücke auf
"Rotation", um genau zu sein drei. In den trockenen Stomper
"Symbiont" ist ein B-Song mit Hiltons Stimme eingebaut. Ganz
anders "Still" und besonders das charttaugliche "Golden
Days", die waschechte, auf den Gesang ausgelegte Popsongs sind. "Outside",
"New Beginning" sowie der Remix des Akanoid-Titels "Walking
on air" können sowohl als Elektropop als auch als Trance verstanden
werden. Mit Ausnahme des chilligen Titelstücks sind die übrigen
Tracks flächig-progressiv.
Bei dieser Art und Menge Vocals zu verwenden, veröffentlichen die
Sauerländer nicht unbedingt ein totsicher erfolgreiches Ding für
die Trance-Szene. Mit kurzen, den Tanzfilm kaum störenden Hooklines,
wie sie üblich sind, wäre ein gut verkaufendes Album sicherer
gewesen. Jedoch mit Insolation als Label im Rücken, das in derAlternative-Szene
verwurzelt auch in der Trance-Szene arbeitet, könnten so neue Hörer
gewonnen werden. Außerdem wollten die Produzenten nicht auf die
beachtliche Bandbreite der menschlichen Stimme als Instrument verzichten,
selbst wenn jedes Wort eine Message transportiert. Diesen Nachteil nehmen
Sphere in Kauf.
"Wir brauchen nicht mehr unter Beweis stellen, daß wir tanzbare
Bretter produzieren können," resümiert Linus über
das Experiment. "Musik ist immer etwas, was aus einem heraus entsteht,
ohne ausgerichtet zu sein - das unterscheidet ja beispielsweise die Szenemusik
von kommerzieller Musik. Würden wir zielgerichtet produzieren, würden
wir sowieso Hip Hop oder Kommerz-Trance aufnehmen." (Regenmann, 03.09.2001)
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